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Online-ZeitungMachtkampf in Syrien - die NATO greift ein |
27.06.2012 |
Das UNO-Beobachtungsmandat endet mit dem 20. Juli. Der Leiter dieser UNO-Mission in Syrien, General Mood, erklärte erst kürzlich, dass dies bis zum letzten Tag so umgesetzt werde. Auch wenn wegen Sicherheitsbedenken derzeit nur Beobachtungen rund um die Unterkunft der Blauhelme absolviert werden können. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyib Erdogan hat inzwischen die Einberufung des NATO-Rats beantragt (Artikel 4 des Nordatlantikpaktes - sobald die"territoriale Integrität, politische Unabhängigkeit oder Sicherheit" des Bündnispartners bedroht ist). Gestern wurde in einer ausserordentlichen Sitzung über weitere Vorgehensmassnahmen beraten. Ob es ein Eingreifen der NATO gemäss Artikel 5 des Washingtoner Vertrags gibt, ist derzeit nicht bekannt. Dabei geht es um den "Bündnisfall". Die Türkei würde in weiterer Folge durch das Bündnis mit Waffengewalt verteidigt. Dies war zuletzt nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA der Fall (Afghanistan). US-Aussenministerin Hillary Clinton betonte bereits im Vorfeld, dass die USA mit den Partnern zusammenarbeiten werden, "um das Assad-Regime zur Rechenschaft zu ziehen"! Ihr britischer Amtskollege William Hague spricht ebenfalls von einer "robusten Reaktion". Bei einem solchen Einsatz kämen auch deutsche NATO-Einheiten zum Zuge. Die Enthaltung in der Gaddafi-Frage rief bereits starke internationale Reaktionen hervor. Ein zweites Mal könne sich Bundesaussenminister Westerwelle hier nicht verwehren. Auch der Fraktionschef der Grünen, Jürgen Trittin, spricht bereits von einer Ausweitung der Eskalation über die Grenzen Syriens hinaus. Die ganze Region vom Libanon bis zur Türkei sei gefährdet. Allerdings müsse bei einer Entscheidung auf jeden Fall Russland einbezogen werden. Doch hat sich im Grunde genommen nichts an der Situation in Syrien geändert. Niemand will wirklich Krieg mit dem Assad-Regime. Auch nicht die Türkei!
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Dazu ist das Land einerseits zu unbedeutend - Libyen im Vergleich dazu verfügt über riesige Ölreserven. Daneben ist auch der Iran sehr schwer einzuschätzen. Und schliesslich sind die Reaktionen aus Moskau und Peking nicht vorherzusehen. Erdogan hatte bereits im April seinen ehemaligen Freund Assad vor der Einbindung der NATO gewarnt. Damals hatten regimetreue Truppen auf Flüchtlinge geschossen, als sich diese bereits auf türkischem Boden befanden. Die Türkei ist zwischenzeitlich zu einem der schärfsten Kritiker des Regimes in Damaskus geworden. Tacheles wird auch dieses Mal geredet: Während sich der Nordatlantik-Pakt betont zurückhaltend gibt (eine Verwarnung wurde ausgesprochen), heisst es von türkischer Seite, dass keine weiteren syrischen Aggressionen geduldet und notfalls auch militärisch dagegen vorgegangen wird. Staatspräsident Baschar al-Assad hat unterdessen am Samstag das neue Kabinett ernannt. Drei Minister (Innen-, Aussen- und Verteidigungsminister) blieben auf ihrem Posten, die meisten anderen sind loyale Baath-Parteimitglieder. Neuer stellvertretender Ministerpräsident und Witschafts- sowie Handelsminister wird der Kommunist Qadri Dschamil, neuer Minister für nationale Versöhnung der Nationalist Ali Haidar. Beide fordern eine Änderung im Land ohne Intervention von aussen. Die Massaker an der Bevölkerung werden inzwischen fortgesetzt. Eine halbe Million Menschen ist auf der Flucht, mehr als 33.000 davon sind in Flüchtlingslagern in der Türkei untergebracht - auch syrische Deserteure. Zuletzt ein General und zwei weitere Offiziere im Rang eines Oberst mit ihren Familien (somit sind bereits 13 syrische Generäle geflüchtet). Täglich werden es mehr. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wurden seit dem Beginn des Aufstandes im März 2011 mehr als 10.000 Menschen getötet. Am Samstag auch ein Mitarbeiter der Rettungsorganisation Roter Halbmond. Der 23-jährige leistete gerade Erste Hilfe. (Ulrich Stock) |
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